Im oberösterreichischen Hausruckviertel haben Sybille und Michael Chiari sich einen Traum verwirklicht: Mit befreundeten Familien bezogen sie einen Bio-Bauernhof, um gemeinsam Landwirtschaft zu betreiben.
Inka läuft uns hechelnd entgegen, als wir das Anwesen des BELEhofs betreten und läuft dann voraus, um uns den Weg zu zeigen. Sie stürzt auf den Käfig mit den Meerschweinchen zu, die blitzschnell in ihren Häuschen verschwinden. „Inka ist noch jung und verspielt“, lacht Sybille Chiari. Und schon jagt die Hündin weiter, nächste Station: die Hühner in ihrem Verschlag, die uns gackernd begrüßen. „Wir kümmern uns abwechselnd um die Hühner, auch die Kinder werden mit einbezogen“, erklärt Chiari. Wir sind umgeben von grünen Wiesen und Feldern, alles blüht. In der Ferne ist der Traunstein zu sehen. „Bei der Suche nach einem Hof war uns wichtig, einen Berg oder See in der Nähe zu haben – jetzt haben wir beides“, sagt die Klimaforscherin und sieht dabei sehr zufrieden aus.
Bewusst Leben Der BELEhof umfasst zwei Gebäude, einen Stall, ein Gemüsefeld sowie ein Glashaus. BELE – das steht für Bewusst Leben. Im September 2017 übernahm das Ehepaar Chiari gemeinsam mit Freunden den Hof in Rutzenmoos bei Regau in Oberösterreich und die dazugehörige Landwirtschaft. Zugleich wurde der Verein BELE Cohousing gegründet. Sechs Kinder leben hier mit ihren Eltern, insgesamt sind es 16 Personen, die den BELEhof, einen Bio-Gemeinschaftshof, bewirtschaften. Hinter dem Haus warten eine Rutsche und ein großes Trampolin auf die Kinder, Sybille Chiaris Töchter Ronja (9) und Ilvy (7) klettern gerade auf einen Baum. Inka wartet unten und kläfft aufgeregt den Baum an. „Früher haben wir mit unseren Töchtern in Wien gelebt und wollten raus aus der Stadt“, erzählt die Klimaforscherin. „Die Kinder waren von Anfang an begeistert vom Leben am Bauernhof.“
Biologische und solidarische Landwirtschaft Auf dem Feld sind bereits die ersten Salthäupl zu sehen, angebaut werden auch Tomaten, Paprika, Gurken Kürbis oder Karotten. Bio-Landwirtschaft bedeutet: Keine Pestizide oder chemische Düngemittel. Im Hofladen werden die eigenen Produkte und solche von Biobauern aus der Region verkauft. Michael Chiari schaut vorbei, bevor er zu den Kühen in den Stall geht. Er ist ausgebildeter Forstwirt und für die Tiere am Hof zuständig: Galloway Rinder und Schafe. Sie haben das ganze Jahr über Auslauf, eines der wichtigsten Prinzipien in der Bio-Tierhaltung. „Gefüttert werden sie mit Heu statt mit Soja, wie es in der herkömmlichen Landwirtschaft üblich ist“, erklärt Chiari. Der nächste Schritt in der Landwirtschaft soll Permakultur sein, die noch einen Schritt weitergeht: Sie setzt auf die Schaffung von naturnahen und nachhaltigen Kreisläufen, die stabile Ökosysteme bilden. „Der Mist der Rinder wird dann zum Beispiel als Substrat für die Pflanzen genutzt“, erklären Sybille Chiari und ihr Mann. Als Haustiere werden am Hof Hasen und Meerschweinchen gehalten – und zwei Barockesel, die gerade auf die Weide gebracht werden. Ein weiteres Prinzip am BELEhof ist die solidarische Landwirtschaft: Interessierte können sich zu Beginn der landwirtschaftlichen Saison einen Ernteanteil kaufen, wobei die Kosten für Anbau, Ernte und Verarbeitung gedeckt sein müssen. „Den Ernteanteil kann man sich ein Mal wöchentlich abholen; in diesem Jahr haben wir 15 Ernteteile zu vergeben.“
Gemeinsam statt einsam Gleich neben dem Stall ist das Gemeinschaftsbüro, in dem Klimaforscherin Chiari Seite an Seite mit ihrem Mann und anderen Bewohnern des BELEhofs arbeitet. Zu Mittag treffen sich alle in der Gemeinschaftsküche. Wer lieber alleine isst, zieht sich in den eigenen Wohnbereich zurück, der jeder Familie zur Verfügung steht. Die Gemeinschaft am BELEhof ist soziokratisch organisiert, alle wichtigen Entscheidungen werden gemeinschaftlich getroffen. „Einmal im Monat treffen wir uns zu einem Plenum“, erzählt Michael Chiari. „Natürlich gibt es hin und wieder auch Konflikte, aber die Basis stimmt.“ Jeder bringt sich mit seinen Talenten ein, Philipp Stromer, im Hauptberuf Architekt, ist etwa für bauliche Veränderungen am Hof zuständig und zimmert gerade eine neue Terrasse. Heute unterstützt er Michael Chiari dabei, die Schafe zusammenzutreiben, um sie auf die Weide zu bringen. Ronja und Ilvy sind immer dabei, wenn sie nicht gerade in der Schule sind oder lernen müssen.
Nachhaltigkeit wird auf dem BELEhof konsequent umgesetzt: ein Elektroauto wird gemeinschaftlich genutzt, das Ziel ist, auch die alten landwirtschaftlichen Fahrzeuge zu ersetzen. Ein Vermögenspool wurde für alle Interessierten angelegt: Wer Kapital hat, das er in ein nachhaltiges, ökologisches und soziales Projekt investieren möchte, kann es wertgesichert anlegen und so die Vision von einem gemeinschaftlichen Miteinander unterstützen. „Wir leben zukunftsfähig, Ressourcen schonend und achtsam miteinander“, heißt es auf der Homepage des BELEhofs. Während der Corona-Ausgangsbeschränkungen wurden die Vorteile des Gemeinschaftslebens am Hof deutlich: Die Erwachsenen wechselten sich bei Kinderbetreuung und Homeschooling ab und unterstützten einander in jeder Hinsicht. „Es fühlte sich für uns seltsam an, dass das Leben am Hof ohne große Veränderung weiterging und wir recht wenig von den großen sozialen wie wirtschaftlichen Herausforderungen mitbekamen, die andere zu meistern hatten“, erzählt Sybille Chiari. Ein Leben in Gemeinschaft und in Verbundenheit mit der Natur – das Modell der Zukunft?