In seinem Essay „Wut. Mut. Liebe!“ schreibt der Autor und Kulturphilosoph Charles Eisenstein:
„Beim Klimawandel handelt es sich nicht lediglich um ein Problem, das wir aus der momentan vorherrschenden Weltsicht heraus und mit deren Lösungsmöglichkeiten beheben können. Wir sind stattdessen gefordert, eine neue Geschichte der Menschheit sowie eine neue (und alte) Beziehung zu unseren lebendigen Weggefährten einzugehen. Ein Schlüsselelement dieser Verwandlung ist der Übergang vom geomechanischen Weltbild zum Weltbild vom Lebendigen Planeten. Die Klimakrise wird sich nicht durch ein Anpassen der Zusammensetzung von Gasen in der Atmosphäre lösen lassen, so als ob man am Luft-Treibstoff-Gemisch eines Dieselmotors herum tüftelte. Die lebendige Erde kann vielmehr nur gesund sein – kann tatsächlich nur lebendig bleiben – wenn ihre Organe vital sind. Das sind ihre Wälder, Böden, Feuchtgebiete, Korallenriffe, Fische, Wale, Elefanten, Seegraswiesen, Mangrovensümpfe sowie alle anderen Spezies und Systeme der Erde. Wenn wir sie alle weiterhin schädigen und zerstören, dann wird die Erde, selbst wenn wir die Emissionen über Nacht auf null reduzieren, immer noch tausend Tode sterben…
In meinem Buch ‚Klima: eine neue Perspektive‘ argumentiere ich, dass ein Gutteil der Klimazerrüttung, die wir Treibhausgasen zuschreiben, in Wirklichkeit von der direkten Störung von Ökosystemen herrührt. So geht das seit Jahrtausenden: Zu Dürren und Wüstenbildung kam es überall dort, wo die Menschen Wälder abgeholzt und den Boden der Erosion ausgesetzt haben. Wäre es nicht bequem, all das auf den Ausstoß von Treibhausgasen zu schieben und unsere materielle Kultur wie bisher weiterzuführen, nur mit erneuerbaren Energien?“
Eisenstein plädiert dafür, zur Bewältigung der Umwelt- und Klimakrise nicht CO2, sondern Ökozid als Gradmesser zu nehmen. Er fordert dazu auf, beim Umwelt- und Klimaschutz die Prioritäten neu zu setzen:
1. Höchste Priorität hat der Schutz aller verbliebenen Urwälder und anderer noch nicht geschädigter Ökosysteme – der Schutz von natürlichen Graslandschaften, Korallenriffen, Mangrovensümpfen.. und anderen Feuchtgebieten.
2. Die Wiederherstellung und Regeneration der geschädigten Ökosysteme weltweit, u.a.: Großflächige Erweiterung von Meeresschutzzonen, Verbot von Grundschleppnetzen oder Treibnetzfischerei, Umstellung auf regenerative Landwirtschaft zum Bodenaufbau, Aufforstung und Wiederaufforstung
3. Das Vergiften der Erde stoppen: mit Pestiziden, Herbiziden, Insektiziden, Kunststoffen, Giftmüll, Schwermetallen, Antibiotika, elektromagnetischer Strahlung, chemischen Düngemitteln, pharmazeutischen Rückständen, Atommüll u.a.
4. Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre.
Als Erklärung, warum er den Treibhausgasen nur den viertwichtigsten Platz zuweist, schreibt Eisenstein, „..dass die Reduzierung von Treibhausgasen automatisch schon ein Nebenprodukt der drei höheren Prioritäten ist.. Außerdem können Wiederaufforstung und regenerative Landwirtschaft große Mengen an Kohlenstoff binden.“