Millionen von Klimastreikende weltweit, wachsende Proteste in der Zivilgesellschaft, erstarkende grüne Parteien: Die Umwelt- und Klimakrise ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ehrgeizige Pläne wie der Green New Deal versprechen Lösungen.
Februar 2019: Eine junge demokratische Politikerin lässt in den USA aufhorchen: Alexandria Ocasio-Cortez legt gemeinsam mit ihrem Kollegen Ed Markey dem Senat einen Plan vor, der eine radikale Wende in der Umwelt- und Klimapolitik vorsieht – den Green New Deal. Das Konzept dahinter ist so umfassend wie die globale Krise, in der der Planet steckt.
Kämpferin für soziale Gerechtigkeit
Ocasio-Cortez, Tochter einer Puerto Ricanerin und eines New Yorkers aus der Bronx gilt als große Hoffnung der US-Demokraten. Mit 29 Jahren war sie die jüngste Frau, die je ins US-Repräsentantenhaus gewählt wurde. Dort vertritt sie heute den 14. Wahlbezirk New Yorks, der die südliche Bronx und das nördliche Queens umfasst. Über die Hälfte der Bewohner stammt aus Lateinamerika, etwa ein Fünftel aller Kinder lebt unterhalb der Armutsgrenze – und Ocasio-Cortez gilt als Sprecherin der Benachteiligten. Auch unter ihrem Twitter-Kürzel AOC bekannt, bezeichnet sich die Politikerin als demokratische Sozialistin, ebenso wie Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders. Ihre republikanischen Kritiker provoziert die redegewandte Abgeordnete mit Forderungen wie jener nach einem Spitzensteuersatz von 70 Prozent für Menschen mit über zehn Millionen Dollar Jahreseinkommen. AOC kämpft für eine staatliche Krankenversicherung, fordert einen Mindestlohn von 15 Dollar und will das Wahlfinanzierungsgesetz reformieren. Bekanntheit erlangte Ocasio-Cortez auch mit einer provokanten Rede im Repräsentantenhaus, bei der sie die Sprecher mit den Verstrickungen von Industrie und Politik konfrontierte: „Wenn ich einen Wahlkampf führe, der ausschließlich von der Industrie finanziert wird, gibt es irgendein Gesetz, das mich daran hindern könnte?“ „Nein.“ „Wenn ich Aktien von Öl- und Gasunternehmen kaufen und später Gesetze schreiben will, die diese Unternehmen von Umweltauflagen befreien und damit den Aktienkurs nach oben treiben – wäre das legal?“ „Das könnten Sie tun.“ Donald Trump ist die selbstbewusste Politikerin längst ein Dorn im Auge, via Twitter liefern sich die zwei regelmäßig Wortgefechte.
Ambitionierter Plan
In den Green New Deal steckt Alexandria Ocasio-Cortez all ihr Herzblut. Der Begriff stammt ursprünglich von US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der erstmals im Jahr 1929 von einem New Deal sprach und damit auf die Weltwirtschaftskrise reagierte. 2008 kündigte Achim Steiner, Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) die Initiative Global Green New Deal an. Statt nur CO2-Steuern einzuführen, sieht der Green New Deal einen tiefgreifenden Wandel zu einem gerechten und nachhaltigen Wirtschaftssystem vor. Das ambitionierte Ziel ist es, die USA bis 2030 CO2-neutral und damit zum weltweiten Führer bei erneuerbaren Energien zu machen. Alle Gebäude im Land sollen energieeffizient werden sowie fossile Emissionen in der Industrie und in der Infrastruktur komplett verschwinden. Das Eisenbahnnetz soll massiv ausgebaut werden, der Flugverkehr verringert werden. Gleichzeitig bezieht der Plan die Gesellschaft mit ein: Allen Amerikanern soll eine Krankenversicherung, ein Arbeitsplatz, gesundes Essen, Bildung und eine Wohnung garantiert werden. Arme, schwarze und indigene Teile der Bevölkerung, die zunehmend von der Umweltkrise betroffen sind, sollen in stärkerem Ausmaß von den geplanten Maßnahmen profitieren. Wenig überraschend stößt das Konzept des Green New Deals in den konservativen Reihen der Republikaner auf wenig Gegenliebe.
Ideen für Europa
Auch auf EU-Ebene wurde zu Beginn des Jahres ein Green Deal präsentiert. Die Eckpunkte des von EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierten Klimaplans lauten: Dekarbonisierung des Energiesektors und Umstellung auf erneuerbare Energien; Renovierung von Gebäuden, um Energiekosten und -verbrauch zu senken; Unterstützung der Industrie bei Innovationen; Umstellung auf umweltfreundlichere und kostengünstigere Formen des privaten und öffentlichen Verkehrs. Zudem ist eine Biodiversitätsstrategie bis 2030 geplant, die den Verlust an biologischer Vielfalt eindämmen und Ökosysteme erhalten bzw. wiederherstellen soll. Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft ist ebenfalls in Planung. Bis März 2020 soll es dazu ein erstes „europäisches Klimagesetz“ geben, das diese Ziele auch gesetzlich verankert. Das Ziel des Green Deal: Europa soll bis zum Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Konkrete Pläne und Maßnahmen für die Umsetzung sowie die Finanzierung stehen jedoch noch aus.
Eine Befürworterin des amerikanischen Green New Deal ist auch die US-Autorin und Umweltaktivistin Naomi Klein. In ihrem Buch „Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann“ zeigt sie auf, warum die Vision einer grüne Zukunft nicht nur nötig, sondern absolut unumgänglich ist. Alexandria Ocasio-Cortez hat in den USA mit der Vorlage des Green New Deal eine Linkswende in ihrer Partei vollführt. Einige demokratische Präsidentschaftskandidaten unterstützen den Plan, während gemäßigtere Parteimitglieder noch skeptisch sind. AOC selbst wirbt unermüdlich für eine Wende im Umwelt- und Klimaschutz, aktuelle Umfragen zeigen wachsende Unterstützung in der Bevölkerung.