Ob Toaster, Haarfön oder CD-Player: In Repair Cafés können Laien gegen eine freiwillige Spende und unter fachlicher Anleitung Geräte reparieren (lassen).
Der Toaster hat schon bessere Tage gesehen. Franz Klammer, Kfz-Mechaniker und leidenschaftlicher Hobbybastler, tut sein Bestes, um das Gerät zu reparieren, die Besitzer schauen interessiert zu. Klammer ist einer von vielen Helfern, die im Repair Café im Zirl, Tirol Hand anlegen, um kaputte Geräte wieder zum Leben zu erwecken. Zahlreiche Gäste haben sich an diesem Samstagnachmittag eingefunden, um kleine oder größere Gegenstände reparieren zu lassen. Kinder bringen Holzspielzeug vorbei, Haushaltsgeräte werden ebenso mitgebracht wie Stereoanlagen. Draußen vor der Türe, beim Stand für Fahrradreparaturen, wird gerade das kaputte Rad eines Kinderwagens begutachtet. Und in einer Ecke des geräumigen Raums im Kultur- und Veranstaltungsraums Zirl erklärt eine Schneiderin aufmerksam lauschenden Kindern, wie sie aus alten Textilien hübsche Taschen nähen können. Am Buffet gibt es Kaffee und Kuchenspenden. „Wir zeigen den Menschen, wie es geht und sie können selbst entscheiden, ob sie die Reparatur selbst versuchen oder doch lieber von Fachleuten erledigen lassen“, erklärt Elisabeth Fuchs vom Verein Perspektiven für Kinder. Fuchs hat gemeinsam mit ihrem Mann und mit Maria Schneider von den Erwachsenenschulen Zirl das Repair Café organisiert. Die eingenommenen (freiwilligen) Spenden kommen einem Hilfsprojekt in Uganda zugute. „Bei uns helfen professionelle Techniker ebenso mit wie Hobbybastler“, ergänzt Schneider. „Unser Ziel ist es, das Bewusstsein für ökologische Probleme in der Bevölkerung zu schulen und den Gemeinschaftssinn zu stärken.“ Hinter den Tiroler Repair Cafés steht das Tiroler Bildungsforum. „Wir veranstalten derzeit etwa 50 Repair Cafés in allen Bezirken“, sagt Michaela Brötz, Koordinatorin der Repair Cafés Tirol. „In weniger als zwei Jahren haben wir fast 500 begeisterte Ehrenamtliche gefunden. Rund 4600 Geräte, Textilien oder Fahrräder sind begutachtet und zu etwa 75 % wieder ganz oder teilweise in Stand gesetzt worden.“
Ressourcen und Umwelt schonen
Das erste Repair Café fand am 18. Oktober 2009 in Amsterdam statt, organisiert von Martine Postma. Die Niederländerin nahm den großen Erfolg zum Anlass, die Stiftung „Stichting Repair Café“ ins Leben zu rufen. Die Non-Profit-Organisation bietet lokalen Gruppen im In- und Ausland, die ein Repair Café eröffnen wollen, professionelle Unterstützung an. Der Gedanke dahiner : den Wert von Dingen neu schätzen zu lernen und gleichzeitig Ressourcen und Umwelt zu schonen. Denn bei der Herstellung von neuen Produkten werden nicht nur wertvolle Materialen verbraucht, sondern auch CO2 wird freigesetzt. Die Arbeitsbedingungen, etwa in der Elektroproduktion, sind meist ausbeuterisch und umweltschädlich. Gegen die zunehmende Wegwerfmentalität in der Gesellschaft wollen die Repair Cafés daher ein Zeichen setzen. Dazu kommt, dass das Wissen, wie man Dinge repariert, schnell verschwindet. Wer dieses Wissen noch hat, wird von der Gesellschaft häufig nicht geschätzt; das Können dieser Menschen wird nicht oder nur sehr selten genutzt. In Reparaturcafés soll aufgezeigt werden, dass Reparieren Spaß machen kann und oft leichter ist, als man denkt.
Wider die Wegwerfmentalität
„Wir werfen zu viele Dinge zu schnell weg“, ist auch Peter Erlebach überzeugt. Der Gründer der Plattform wohnnet.at und gelernte Nachrichtentechniker hat ein Repair Café in Wien Landstraße gegründet. „Viele weggeworfene Elektrogeräte landen in Ländern der dritten Welt und verschmutzen dort die Umwelt.“ Der Social Entrepreneur mietete einen Raum und lädt dort jeden Donnerstag nachmittag zum gemeinsamen Reparieren ein. An seiner Seite: Othmar Kerschbaumer, Pensionist und leidenschaftlicher Bastler und dessen Frau Edith, die die Gäste empfängt. „Ohne freiweillige Helfer würde es nicht funktionieren“, ergänzt Erlebach und begrüßt eine Frau, die ihre Stereoanlage reparieren lassen möchte. Oliver Mendl, der extra aus Krems kommt, um im Repair Café mitzuhelfen, erklärt geduldig, was zu tun ist. „Wir akzeptieren nur Geräte, die sonst niemand reparieren würde“, erklärt Erlebach. „Wir möchten niemandem die Arbeit wegnehmen.“ Dazu gehören CD-Player, alte Weckradios oder Haarföns. „Viele Geräte sind einfach nur verschmutzt.“ Erlebachs Motivation ist es, etwas für das Viertel zu tun, die Menschen zusammen zu bringen. „Hier kommen Leute der verschiedensten Gesellschaftsschichten zusammen, alte und junge Nachbarn.“
Sozialer Aspekt
Repair Cafés erfreuen sich wachsender Beliebtheit, in einigen Bundesländern sind sie bereits zu einer regelmäßigen Einrichtung geworden. In Nenzing, Vorarlberg hat Harald Mark das erste Repair Cafe im Walgau gegründet und mithilfe eines Crowdfundings Geld gesammelt, um weitere ins Leben zu rufen. „Wir wünschen uns, dass die Industrie auf unsere Reparaturbewegung reagiert und wieder qualitativ hochwertigere, langlebige und gut reparierbare Geräte erzeugt“, erklärt Mark. Der Vorarlberger ist überzeugt, dass die Menschen ihre Produkte länger und ohne Probleme benutzen möchten. „Sie sind auch bereit, diese zur Reparatur zu bringen und dafür zu bezahlen“, ergänzt Mark. „Aber dies wird leider oft durch horrende Kostenvoranschläge, mangelnde Ersatzteile und überhöhte Stundensätze verhindert.“ Mithilfe der Spenden aus Marks Initiative wurden bereits weitere Repair Cafés, darunter in Feldkirch oder in Riefenberg, ins Leben gerufen. „Neben dem ökologischen Aspekt steht bei uns auch das Soziale im Vordergrund: es gibt Menschen, die sich eine teure Reparatur nicht leisten können und daher zu uns kommen.“ Die Erfolgsquote bei reparierten Geräten im Repair Café Nenzing liegt bei 78 Prozent. Auch im Salzburger Seenland finden in unregelmäßigen Abständen Repair Cafés statt, organisiert werden sie vom Regionalverband Salzburger Seenland. In der Steiermark hat eine Gruppe engagierter Bastler das Repair Café Graz ins Leben gerufen. Und auch in den anderen Bundesländern finden vereinzelt Reparaturcafes statt.
Konsumkritik
Sepp Eisenriegler, Geschäftsführer des Reparatur- und Servicezentrum R.U.S.Z., hat im Jahr 2014 das Repair Café Schraube 14 gegründet. „Es kann doch nicht sein, dass auf Kosten der nächsten Generationen immer mehr Rohstoffe verschwendet werden, um immer kurzlebigere Produkte auf den Markt zu drücken!“ Schraube 14 findet jeden Donnerstag nachmittag im R.U.S.Z. statt. Repariert werden Toaster, Mixer, Bügeleisen, Haarföns, Kaffee-Filtermaschinen, Lampen und andere Elektrogeräte, die man „in einer Hand tragen kann“, dazu gibt es Kaffee und Kuchen. Eisenriegler ist überzeugt: „Bei der sogenannten Geplanten Obsoleszenz werden von den Herstellern bewusst Sollbruchstellen in Geräte eingebaut, um die Nachfrage nach neuen Geräten zu steigern.“ Ein Grund mehr für den Unternehmer, kaputte Geräte zu reparieren.
Reparaturanleitungen von Frauen für Frauen bieten die Craftistas in Wien. Hier üben Frauen den Umgang mit Werkzeugen und Handmaschinen und lernen dabei, alltagstaugliche Produkte aus verschiedenen (Recycling-)Materialien herzustellen. In den Reparatur- und Recyclingcafés gibt es Workshops zu Themen wie Holz- und Metallbearbeitung, Installation in Bad und Küche oder Ausmalen. Auch hier, wie in allen Reparaturcafés, gilt das Motto: Hilfe zur Selbsthilfe.