Sabine Bösel und ihr Mann Roland sind seit 40 Jahren ein Paar und Österreichs bekannteste Imago-Therapeuten. Worum es bei dieser Methode geht und wieso wir uns unsere Partner nicht zufällig aussuchen, erklärt die Psychotherapeutin im Interview.
Worum geht es bei Imago?
Die Imago – Therapie zeigt Paaren eine spezielle Form der Kommunikation, mit deren Hilfe sie einander näher kommen und Akzeptanz und Verständnis aufbauen können. Es ist eine Hilfe zur Selbsthilfe.
Können Sie diese Form der Kommunikation beschreiben?
Das wichtigste Instrument ist der Dialog. Er ist so gestaltet, dass immer nur einer spricht und der andere aktiv zuhört, d.h. das Gehörte wiederholt, oder wie wir es im Imago nennen, spiegelt. Der Zuhörer versucht zu verstehen und dabei wertfrei zu bleiben. Man könnte auch sagen, dass der Partner der beste Therapeut ist.
Wie kann man sich das vorstellen?
In einer Paartherapie können Paare innerhalb von ein paar Minuten an des Pudels Kern kommen, weil der Partner uns dorthin provoziert. Ohne professionelle Begleitung kommt es schnell zum Streit, im Dialog wird jedoch vieles aufgelöst.
Wir suchen uns unseren Partner also nicht zufällig aus?
Wir verlieben uns in einen ganz bestimmten Typus, nämlich in jenen, der einem inneren Bild entspricht, das wir von unserer Geburt an zeichnen. Dieses Bild ist das Ergebnis aller positiven und negativen Erlebnisse, aller Erfolge und aller Traumata, die wir erfahren haben.
„Der Partner konfrontiert uns mit unseren unfertigen, verkorksten Seiten.“
Warum trennen sich dann so viele Paare?

In der Verliebtheit ist alles schön, wir sind in unserer Fülle, in unserer Ganzheit. Später konfrontiert uns der Partner mit unseren unfertigen, verkorksten Seiten und wir verfallen in Schutzmuster, um nicht verletzt zu werden. Bei Roland und mir ist es so: ich bin eher ein ruhiger Mensch und er trägt das Herz auf der Zunge. Zu Beginn mochte ich das, aber später wurde es mir oft zu viel – vor allem, wenn ich gerade Stress hatte.
Gibt es dafür eine Erklärung?
Im Imago gibt es den Begriff „verlorenes Selbst“: das sind Verhaltensweisen, die uns als Kind aberzogen wurden. Unser Partner hält uns diese Verhaltensweisen vor Augen.
„Je weniger Männer zuhören, desto größer wird das Bedürfnis der Frau, sich mitzuteilen“
Warum sind Frauen eher bereit, zur Paartherapie zu gehen als Männer?
Der Klassiker in Beziehungen ist, dass die Frau reden will und das Gespräch immer schwerer und problembeladener wird – bis der Mann sagt: Ich halte das nicht mehr aus! Je weniger Männer jedoch zuhören, desto größer wird das Bedürfnis der Frau, sich mitzuteilen.
Wie können Frauen ihren Männern eine Imago-Therapie schmackhaft machen?
Indem man ihnen sagt, dass es einen Aktionsplan gibt mit genauen Spielregeln. Ein Imago-Dialog hat vier oder sieben Schritte, das ist eine überschaubare Zeitspanne. Wir bieten auch Info-Abende an, wo Roland und ich einen Dialog vorzeigen. Wenn die Teilnehmer dann sehen, wie viel Wertschätzung wir einander entgegen bringen und durchaus auch ein paar Schmähs einfließen lassen, ist der Bann oft schon gebrochen.
Eine Imago-Therapie ist nicht gerade billig. Wie kann man diese Methode einer breiteren Bevölkerungsschicht zugänglich machen?
Wir bieten bei unseren Paartherapien und -workshops gestaffelte Preise und ein paar besonders günstige Sozialplätze an.
Kann man auch Kindern oder Jugendlichen die Imago-Methode zugänglich machen?
Meine Kollegen Ilka Wiegrefe und Viktor Bauernfeind führen Imago-Projekte in Volksschulen durch und haben auch ein Bilderbuch dazu verfasst. Man kann Imago aber auch innerhalb der Familie praktizieren, z.B. in den sogenannten Spiegelrunden, wo jedes Familienmitglied über Sorgen oder Probleme redet und die anderen aktiv zuhören.
„Wenn wir Krisen durchstehen und uns nicht gleich trennen, entwickeln wir uns weiter, werden reifer.“
Immer mehr Paare trennen sich. Was ist nach einer Trennung oder Scheidung zu beachten?
Wenn das Paar Kinder hat, ist es wichtig, sie nicht in die Trennung mit hinein zu ziehen. Das Schlimmste für Kinder ist, wenn Eltern einander abwerten oder dem Anderen die Schuld geben. Für alle getrennte Paare gilt: aus Fehlern lernen und sie nicht beim nächsten Partner wieder machen.
Gibt es noch andere Gründe für Trennungen als der oben genannte?
Da gibt es sicher mehrere. Wenn Paare Kinder bekommen und zu wenig Hilfe haben, weil vielleicht die Großeltern woanders leben, stehen sie oft vor einer Zerreißprobe. Das ist eine riesige Aufgabe und oft schwer, sich neben den Kindern auch noch um die Beziehung zu kümmern. Hier läuft vieles schief in unserer Gesellschaft, ein soziales Netz wäre wichtig. Zum Beispiel könnten sich Pensionisten mit jungen Familien zusammentun, in Wohnprojekten für Jung und Alt.
Wie kann sich eine bessere Beziehungsfähigkeit auf die Gesellschaft auswirken?
Wenn ich Krisen durchstehe, an der Beziehung arbeite und mich nicht gleich trenne, entwickle ich mich weiter, werde reifer. Und mehr reifere Menschen wirken sich definitiv positiv auf die Gesellschaft aus.
Von Sabine und Roland Bösel sind folgende Bücher erschienen:
„Leih mir dein Ohr und ich schenk dir mein Herz“ / „Warum haben Eltern keinen Beipackzettel?“
2 Kommentare
Ja hat denn wirklich jemals jemand geglaubt, dass wir unsere Partner zufällig aussuchen?
🙂