Rund 40 Menschen haben sich am Wiener Stephansplatz versammelt. Einige halten Transparente hoch, andere tragen Funkgeräte bei sich. Alle sind warm eingepackt, es ist bitterkalt.

Anna Alboth, die Initiatorin des Civil March for Aleppo spricht ein paar einleitende Worte und bittet die neu dazu gekommenen Teilnehmer, sich vorzustellen. Es ist der 9. Februar und die Friedensaktivisten werden an diesem Tag 23 Kilometer bis nach Traiskirchen zurücklegen. Einige von ihnen sind seit über einem Monat unterwegs; am 26. Dezember verließen rund 200 Menschen Berlin in Richtung Süden. Ihre Mission: ein friedliches Zeichen für ein Ende des Krieges in Syrien zu setzen. „Ich wollte nicht mehr länger untätig zuhause herum sitzen und darauf warten, dass etwas passiert“, sagt Anna Alboth, Journalistin aus Berlin.
Die logistische Herausforderung ist immens

Auslöser waren die Bilder aus Aleppo, die im Dezember durch die Medien geisterten. Die zwei Töchter der gebürtigen Polin marschierten die ersten zehn Tage noch mit, dann blieben sie bei ihrem Vater in Berlin. „Mein Mann unterstützt mich sehr und ermöglicht mir regelmäßige Treffen mit den Mädchen“, erzählt Anna. „Wenn ich allerdings gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich es vielleicht bleiben lassen.“ Die logistische Herausforderung des Marsches ist immens: täglich müssen Schlafplätze gefunden, Proviant für die Teilnehmer organisert werden. Neue Teilnehmer werden fast täglich in die Regeln eingeführt. „Man übernachtet mit 50 oder mehr Menschen in einem großen Raum, kann oft nicht schlafen und muss am nächsten Tag bis zu 30 Kilometer gehen“, erzählt Anna und man sieht ihr die Erschöpfung an. Dazu kommt die Kälte: „In Tschechien hatten wir einige Tage lang zwischen -10 und -16 Grad“, sagt Alexander Stokiewitz, der beim Marsch für die Logistik zuständig ist. Zwar gibt es ein beheizbares Zelt, aber die Teilnehmer sind froh, wenn sie in einem warmen Raum schlafen können. 1500 Menschen aus 21 Ländern haben die Aktivisten bisher ein Stück begleitet.
Ein Crowdfunding finanziert den Marsch
Es war im November 2016, als Alexander durch eine Freundin vom Civil March for Aleppo erfuhr. Am nächsten Tag kündigte der Deutsche seinen Job als Projektmanager und bot der Initiatorin Anna Alboth seine Mithilfe an. „Mein Chef war zwar nicht erfreut, aber letztlich verstand er meine Entscheidung und unterstützte mich sogar bei der Organisation.“ Gemeinsam mit einem Kernteam kümmerte er sich um die Organisation des Marsches. Dieses Team von zehn Leuten ist immer mit dabei, zu Fuß oder im Auto, das den Marsch begleitet. „Wir haben von Spendengeldern ein altes Baufahrzeug gekauft, das uns immer begleitet und in dem man sich ausruhen kann, wenn es zuviel wird“, erzählt Alexander. Er selbst wurde nach der extrem Kälteperiode in Tschechien krank und war froh, zeitweise im Auto unterkommen zu können. Einzig eine tschechische Aktivistin ist die gesamte bisherige Strecke zu Fuß gegangen. „Sie ist eindeutig die härteste von uns“, zeigt sich Alexander beeindruckt. Über 24.000 Euro hat das Crowdfunding der Kampagne bisher eingebracht. Das Geld wird jedoch nicht nur für eigene Zwecke genutzt, sondern auch weiter gegeben, z.B. an Fresh Response, eine Organisation, die in Serbien gestrandeten Flüchtlingen hilft.
Die Flüchtlingsroute in umgekehrter Richtung
3200 km Fußmarsch liegen zwischen Berlin und Aleppo – eine Strecke, die Anna, Alexander und ihre Gefährten in rund sieben Monaten schaffen möchten. Dabei legen sie die Flüchtlingsroute in umgekehrter Richtung zurück. „An der türkischen Grenze könnte es problematisch werden“, meint Anna – und fügt gleich hinzu, dass sie die Dinge gerne auf sich zukommen lässt. Der Weg als Ziel? „Natürlich hoffen wir, dass wir etwas bewirken können und politische Entscheidungsträger auf die Situation in Syrien aufmerksam machen“, meint Alexander. Während eines Aufenthaltes in Sachsen besuchte ein Landtagsabgeordneter die Gruppe und bot seine Unterstützung an. In Dresden begleitete die Migrationsministerin den Marsch. „Es ist uns jedoch ein Anliegen, unpolitisch und neutral zu bleiben, daher lehnen wir auch Anfragen von Syrern ab, die die Aktion für Propaganda nützen möchten.“
Auf ihrem Weg haben die Teilnehmer des Marsches viel Gastfreundschaft erlebt. „In Tschechien waren die Menschen besonders freundlich, aber auch in Österreich haben wir bisher nur gute Erfahrungen gemacht“, erzählt Alexander. In Wien werden die Aktivisten in einem Lokal von Syrern bewirtet, der Eigentümer bedankt sich persönlich für die Initiative. „Viele der Menschen, die an unserem Marsch teilnahmen, haben danach Projekte für syrische Flüchtlinge gestartet“, erzählt Anna. „Und viele Syrer sagen uns, dass ihnen unser Marsch Hoffnung gibt. Alleine das ist schon ein Grund, weiter zu machen.“