Eine Gesellschaft, in der beide Geschlechter gleichwertig sind, ohne Gewalt und mit klarer Aufgabenverteilung: das Matriarchat. Entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich bei diesen mutter-zentrierten Kulturen nicht um eine Umkehrung des Patriarchats. Weltweit existieren nur noch wenige dieser Gesellschaften, deren Werte sich jedoch zunehmend in zukunftsweisende Bewegungen einflechten.
Das Matriarchat gilt als älteste Gesellschaftsform der Welt: Spuren von matriarchalen Gesellschaftsstrukturen wurden bereits der Altsteinzeit zugeordnet. In der Jungsteinzeit begannen die großen Besiedlungsbewegungen, die von den ersten matriarchalen Ackerbauzentren ausgingen und zur weltweiten Verbreitung dieser weit entwickelten Gesellschafts- und Kulturform führten. Erst rund 2000 vor Christus begannen patriarchale Entwicklungen. Heute gibt es noch rund 20 Matriarchate weltweit, darunter die Mosuo in Südwestchina, das Volk der Khasi im indischen Bundesstaat Meghalaya oder die Einwohner der Stadt Juchitán in Mexiko. Auch die Minangkabau auf der indonesischen Insel Sumatra sind matrilinear organisiert, das bedeutet, dass die Mutterlinie entscheidend ist.
Egalität der Geschlechter
Beim Matriarchat handelt es sich um eine Gesellschaftsordnung, die in allen Bereichen von Frauen geschaffen, geprägt und getragen wird. Entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich jedoch nicht um eine Umkehrung des Patriarchats: “Das Faszinierende ist, dass es Gesellschaften sind, die völlig ohne Herrschaft auskommen“, sagt die Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth. Es gebe eine Egalität der Geschlechter, die gleichzeitig die natürlichen Unterschiede respektiert. „Das heißt, Unterschiede werden nicht zu Hierarchie und Abwertung oder Aufwertung genutzt, sondern zu einer gegenseitigen Balance im Bewusstsein des Reichtums der Menschheit, auch der Natur.“ In matriarchalen Gesellschaften sind beide Geschlechter gleichwertig; jedes Geschlecht hat seinen eigenen Aktionsbereich. Das bedeutet auch: In einer solchen Gesellschaft gibt es keine Frauenquoten oder Frauen, die die Rolle von Männern einnehmen. Die Menschen leben in großen Clans zusammen, die aus den Verwandten in der Mutterlinie bestehen. Deswegen sind die Mütter zentral. „Das heißt aber noch lange nicht, dass sie dort herrschen“, sagt Göttner-Abendroth. „Sie haben einfach die größte Achtung, weil alle, die in dem Clan-Haus wohnen, ihre direkten Nachkommen sind.“