Rolf Winters reiste ein Jahr lang mit seiner Frau und drei Kindern quer über den Globus, um die „Hüter der Erde“ zu finden. Das Ergebnis ist der gleichnamige Film, die Aufforderung, sich mit einem uralten Wissen und der Natur zu verbinden. Veröffentlicht im Original Magazin.
Was war der Auslöser für diese Reise?
Alles begann mit der Geburt unserer Kinder. Wir lebten damals in der Großstadt und verspürten zunehmend den Wunsch, dem System den Rücken kehren und uns mehr mit der Natur zu verbinden. Auch das Bildungssystem sahen wir sehr kritisch. Da sich eine Gelegenheit ergab, in den Norden der USA zu ziehen, packten wir unsere Koffer und lebten vier Jahre lang in den Wäldern Michigans, wo wir unsere Kinder zuhause unterrichteten. Wir lebten gemeinsam mit dem Volk der Anishnabe, dessen Medizinmann Nowaten im Film eine wichtige Rolle spielt. Wir begriffen, dass es weltweit Menschen wie ihn gibt, die eine Verbindung zu einem höheren Wissen haben, das die meisten von uns verloren haben. Also machten wir uns auf die Suche nach diesen Weisheitslehrern und Schamanen – den Hütern der Erde.
Sie und Ihre Frau Renata Heinen hatten keinerlei Erfahrung mit dem Filmemachen und arbeiteten ohne Crew. Wie gelangen Ihnen diese beeindruckenden Aufnahmen?
Jedes Familienmitglied hatte eine Kamera dabei und auch unsere Kinder filmten oft mit, wenn wir unterwegs waren. Natürlich wollten nicht alle der Protagonisten sich sofort filmen lassen: Bei Nowaten dauerte es ein Jahr, bis er sich dazu bereit erklärte. Letztendlich hatten wir 200 Stunden Filmmaterial, das wir schneiden mussten; Renata hatte bereits Erfahrung im Drehbuchschreiben. Es dauerte insgesamt fünf Jahre, bis der Film fertig war.
Wie fanden Sie die Hüter der Erde, die im Film zu Wort kommen?
Das war eine Herausforderung, weil diese Menschen nicht online zu finden sind. Wir mussten auf jedem Kontinent, in jedem Land von vorne beginnen. Natürlich hatten wir vor der Reise recherchiert, welche Gegenden in Frage kommen würden und so fragten wir uns durch. Oft waren es dann die Kinder, die uns alle Türe öffneten, weil sie vorbehaltlos auf andere Menschen zugingen und mit deren Kindern spielten.
Sie waren ein Jahr lang unterwegs, wie wirkten sich die Erfahrungen der Reise auf die Kinder aus?
Beim Beginn unserer Reise waren sie 10, 7 und 5 Jahre alt, und die vier Jahre einfachen Lebens in den Wäldern Michigans hatten sie gut auf die Reise vorbereitet. Jetzt sind sie junge Erwachsene und ich denke, dass sie durch ihre Erfahrungen eine andere, offenere Sichtweise auf das Leben haben und beispielsweise mit Autoritäten kritischer umgehen.
Was hat Sie in Ihren Gesprächen mit den Hütern der Erde am meisten beeindruckt?
All diese Menschen verbindet, dass sie im Einklang mit der Natur leben und im Reinen mit sich sind. Sie sagen, dass wir uns mit unserer materialistischen Gesellschaft ein Monster erschaffen haben, das uns an den Abgrund geführt hat. Alle sind jedoch auch der Meinung, dass der Wandel bereits da ist – und dass sie mit ihrem Wissen dazu beitragen können. Nowaten spricht im Film die Jugend an: „Es liegt an der Jugend, einen Wandel zu vollziehen. Es wird erzählt, dass, wenn sie Erfolg haben, sie diejenigen sein werden, die ewigen Frieden bringen.“ Er hat die heutige Jugendbewegung für Umwelt- und Klimaschutz vorausgesehen und sagte auch, dass der Wandel von den Frauen ausgehen würde – siehe Greta Thunberg.
Gab es ein Erlebnis, das Sie besonders beeindruckte?
In Australien lebten wir mit Aborigines auf einer kleinen Insel und wurden vom ersten Tag an wie Familienmitglieder aufgenommen. Das war eine großartige Erfahrung des Gebens und Nehmens, auch für unsere Kinder.
Die Weisheit des nordamerikanischen Medizinmanns Nowaten steht im krassen Widerspruch zu dem Bild, das mit Donald Trumps Amerika einhergeht. Wie sehen Sie die Vereinigten Staaten?
Die USA sind ein gespaltenes Land, einerseits gibt es konservatives Denken und maßlosen Konsum, zugleich glaubt ein wachsender Teil der Bevölkerung an einen Wandel und setzt sich dafür ein. Meiner Meinung nach sollten wir uns nicht so sehr auf Trump konzentrieren, sondern lieber auf all die positiven Veränderungen, die es auch in diesem Land gibt.
Was hat sich Ihrer Meinung nach verändert, seit Sie 2009 zu Ihrer Reise aufgebrochen sind?
Wir stecken mitten in einem tiefgreifenden Wandel: Die Menschen wachen auf und beginnen umzudenken, der Kapitalismus bekommt überall Risse, die Zahl der bewussten Konsumenten wächst. Immer mehr alternative Schulprojekte sind im Entstehen, ich habe selbst eines mitgegründet. Unser derzeitiges Bildungssystem vermittelt rein rationales Wissen und ignoriert das Potential und die Talente der Schüler.
Sie haben in Michigan ein sehr einfaches Leben mit ihrer Familie geführt. Was raten Sie Menschen, die auf der Suche sind?
Verzichten Sie auf Fernsehen und Zeitungen, die nichts als negative Nachrichten verbreiten. Seien Sie wählerischer mit der Auswahl von Medien und der Menschen, mit denen Sie sich umgeben.
Immer mehr Menschen leben in Großstädten. Wie können sie sich mehr mit der Natur verbinden?
Einer der Weisen, die ich traf, sprach eben diesen Punkt an. Er meinte, dass Menschen, die in Städten leben, sich einen einzelnen Baum suchen sollten, mit dem sie sich verbinden. Das heißt: Sich an den Baum lehnen, mit ihm sprechen, seine Energie spüren. In der Stadt gibt es viel Ablenkung, Lärm und Verschmutzung. Wir müssen ihr jedoch nicht den Rücken kehren, um uns wieder mit der Natur zu verbinden, sondern können sie auch zu Orten der Verbundenheit machen.
Ihr Film hat Sie zum Start eines Social Enterprise inspiriert, können Sie etwas darüber erzählen?
Es begann damit, dass hunderte Menschen, die den Film gesehen hatten, ihren Lebensstil ändern wollten und uns davon berichteten. Wir möchten mit unserem Film möglichst viele Menschen dazu inspirieren, sich einzubringen, aktiv zu werden. Die Botschaft der Hüter der Erde ist klar: Wir haben die Macht etwas zu ändern. Wenn Sie etwas verändern möchten, beginnen Sie jetzt damit!