Die USA sind gespalten, seit Donald Trump am Ruder ist. WIENERIN – Autorin Susanne Wolf wollte wissen , ob es das freie Amerika auch noch gibt. Ein Roadtrip.
„Why Alabama“? Der Einreisebeamte am New Yorker JFK-Flughafen mustert mich mit einem Blick, der meine reine Anwesenheit verdächtig macht. Freundlich lächelnd erkläre ich ihm, dass ich nach einem kurzen Besuch in der Stadt meine ehemalige Gastfamilie besuchen werde. Nach einer ausführlichen Untersuchung meines Reisepasses und einem weiteren prüfenden Blick auf mich winkt mich der Immigration Officer durch.
Widerstand in New York
Vor meiner Abreise in die USA hatte ich die unterschiedlichsten Geschichten über Menschen gehört, denen die Einreise nach Donald Trumps Antritt als Präsident erschwert worden war. Hatte den Rat bekommen, Social Media-Apps von meinem Mobiltelefon zu löschen und am besten gleich meinen Laptop zuhause zu lassen. Nichts davon nahm ich allzu ernst, dennoch war ein Rest von Unsicherheit geblieben. Würde ich bei der Einreise ausführlicher befragt werden als bisher? Und nun bin ich hier – müde vom langen Flug, atme ich tief den Geruch dieser Stadt, die ich seit 30 Jahren kenne. Anders als bei früheren Besuchen nehme ich jedoch nicht den Bus nach Manhattan, sondern die Subway Richtung Brooklyn, wo ich ein Privatzimmer im hippen Stadtteil Williamsburg gemietet habe. Auf den Straßen wimmelt es von gut aussehenden und durchgestylten Menschen, in der Bedford Avenue reihen sich lässige Lokale an hippe Geschäfte. Hillary, meine Vermieterin, kann das zusätzliche Geld gut gebrauchen, die Mieten zählen zu den höchsten der Stadt. Die Lehrerin und Übersetzerin hat lange Zeit in Wien gelebt und der Vergleich macht sie sicher: „An New York liebe ich die offene Einstellung der Menschen und die lebendige Künstlerszene“, die Stadt sei bekannt dafür, sich bei wichtigen Entscheidungen wie etwa zum Klimaschutz Donald Trump entgegen zu stellen. Im Deutsch-Unterricht lässt Hillary ihre Schüler Märchen vorlesen und vergleicht die Tyrannen mit dem US-Präsidenten. Sie erzählt mir von einem arabisch-stämmigen Uni-Professor, der kurz nach der Wahl Donals Trumps verschwunden sei.
Queens vs. Long Island
Durch Hillary lerne ich Matt und Terri kennen, die eine Zugstunde von New York entfernt leben. Long Island, das sind adrette Häuser mit gepflegtem Rasen, amerikanische Kleinstädte, wie man sie tausendmal im Kino gesehen hat. In Suffolk County stimmten 52,5 Prozent für Donald Trump. „Am Tag nach der Wahl Donald Trumps fanden wir eine riesige US-Flagge auf dem Rasen vor unserem Haus“, erzählt Matt. „Das war die Art unserer Nachbarn, uns zu zeigen, wer hier der Boss ist.“ Matt und Terri sind ein Paar, das sich von den Durchschnittsbewohnern Long Islands unterscheidet: Sie Sozialarbeiterin und Schauspielerin, er Lehrer, möchten sie bei ihren Schützlingen Bewusstsein dafür schaffen, was in ihrem Land vor sich geht – ebenso bei ihren eigenen Kindern. Ihre Meinung zur politischen Situation drücken sie auch in Social Media und in Form von Gedichten aus, ihr literarisches Wissen geben sie in Writing Workshops weiter (Bild). Als Matt und Terri ein Paar wurden, übersiedelte sie aus dem bunten New Yorker Stadtteil Queens zu Matt nach Long Island, unter einer Bedingung: „Ich wollte in keiner anderen Stadt als in Bay Shore leben“. Die Stadt ist für Long Island-Verhältnisse vielfältig, neben den christlichen Gemeinden gibt es eine Moschee und eine Synagoge. Terri erklärt, dass gemischte Städte auf der Insel die Ausnahme seien. „Immobilenmakler sorgen dafür, dass die verschiedenen Ethnien getrennt leben.“ Matt und Terri lassen kein gutes Haar an ihrem Land, kritisieren die teure Universitätsausbildung und die mangelnde soziale Absicherung.
Schwarz und weiß
Nach einigen Tagen an der Ostküste besteige ich in New York den Amtrak-Zug mit dem klingenden Namen „Crescent“. Mein erstes Ziel: Birmingham, Alabama. Bereits im Zug werde ich auf meinen Besuch in den Südstaaten eingestimmt: Das Zugpersonal besteht ausschließlich aus Schwarzen und auch die Fahrgäste in meinem Waggon sind mehrheitlich schwarz. Beim Frühstück dann ein anderes Bild: im Speisewagen versammeln sich die Passagiere, die in den teuren Schlafwagen gereist sind – es sind ausschließlich Weiße. „White Privilege“ ist in den USA ein großes Thema, immer wieder höre ich die Meinung, dass durch Donald Trump Rassismus wieder salonfähig geworden sei. „Schwarze werden immer noch benachteiligt“, bestätigt Jay beim Besuch meiner ehemaligen Gastfamilie. Besonders der Bundesstaat Alabama habe den Ruf, rassistisch und Heimat der „Rednecks“ zu sein, weiße, konservative Südstaatler. Vor über 30 Jahren verbrachte ich hier ein Jahr als Austauschschülerin und meine Gasteltern machten mich schon damals darauf aufmerksam, mich besser nicht zu oft mit meiner schwarzen Freundin in der Öffentlichkeit zu zeigen. Beim gemeinsamen Essen habe ich bald genug von Smalltalk und werfe die Frage in den Raum, was die Familie von Donald Trump halte. Kurze Stille, dann die eindeutige Antwort: „He’s an idiot!“ Nancy meint, dass viele Trump-Wähler bereits zur Erkenntnis gelangt seien, einen Fehler begangen zu haben. Im übrigen gäbe es auch gebildete und liberale Weiße in Alabama und die Lage der schwarzen Bevölkerung habe sich verbessert, versichert sie mir. Nancy und Jay leben in einem Viertel am Rande der Stadt, das ganz offensichtlich Bürger der Oberschicht anzieht – Schwarze sind hier keine zu sehen. Das Ehepaar ist stolz darauf, eine Sammlung an Handfeuerwaffen ihr eigen zu nennen – „gut verschlossen“, wie sie betonen – und ihren Töchtern das Schießen beigebracht zu haben. „Birmingham liegt auf der Liste der gefährlichsten US-Städte auf dem 5. Platz“, erklärt Jay. Wenn jemand in sein Haus einbreche, würde er nicht zögern, von der Waffe Gebrauch zu machen.
Birmingham, die größte Stadt im Bundesstaat Alabama, ist jedoch auch für seine Rolle in der Civil Rights Bewegung bekannt. In den 60 er Jahren trug die Stadt wegen einer Reihe von Attentaten des Ku-Klux-Clans auf schwarze Einrichtungen den wenig schmeichelhaften Beinamen „Bombingham“. Martin Luther King bezog die Stadt in den 1963 stattfindenden Protestmarsch nach Washington mit ein, der in die Geschichte eingehen sollte. Ich lasse mich im Park gegenüber des Birmingham Civil Rights Institute auf einer Bank nieder, um die geschichtsträchtige Umgebung auf mich wirken zu lassen und höre eine Stimme: „Back then I would have been arrested just for talking to you.“ Ein Afroamerikaner mit trotzigem Blick, der sich als Jesse (Bild) vorstellt, baut sich vor mir auf und erzählt mir, dass er sechs gewesen war, als in der Kirche gegenüber eine Bombe explodierte. Vier schwarze Mädchen kamen bei dem Anschlag ums Leben, Jesse hörte die Detonation bis in seine Wohnung. Heute erinnert eine Skulptur im Park an die jungen Toten. Nach seinem geschichtlichen Diskurs bittet Jesse mich um etwas Geld und zieht weiter.