Seit mehr als zwei Jahren lebe ich ohne festen Wohnsitz. Ausgelöst durch die Einschränkungen während Corona begann ich mich zu fragen, wie ein gutes und selbstbestimmtes Leben aussehen kann. Was als Experiment begann, um verschiedene Wohn- und Lebensmodelle kennenzulernen, hat sich zu einem Lebensstil entwickelt, der mir vielfältige Erkenntnisse gebracht hat – über die ich in meinem nächsten Buch berichten werde.
In den letzten zwei Jahren habe ich u.a. in einem Hofkollektiv im Waldviertel, als Katzensitterin auf der kanarischen Insel La Palma, in einer Wiener Stadt-WG oder bei Freunden im Salzkammergut gewohnt. Immer klarer wurde mir dadurch, dass ich ein Leben in Gemeinschaft dem Alleinleben vorziehe. Und dass mir ein naturverbundenes Dasein mehr entspricht als das Leben in der Großstadt, wo ich aufgewachsen bin. Mir wurde auch bewusst, dass wir im scheinbar so sozialen und sicheren Österreich in einem engen Korsett leben. Dass viele Menschen hier sich auf ein „Sicherheitssnetz“ verlassen, statt ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, und dabei oft in einem Hamsterrad stecken bleiben. Wo viele es sich gut eingerichtet haben, abgesichert gegen alles, bis zur heiß ersehnten Pension. Diese Scheinsicherheit wird teuer erkauft mit unzähligen Vorschriften und Verpflichtungen.
Ich ziehe die Freiheit der Sicherheit vor, das Leben, das ich führe, ist herausfordernd, aber auch bereichernd. Es gab Momente, in denen ich nicht weiter wusste und solche, in denen die Sehnsucht danach, zur Ruhe zu kommen, beinahe übermächtig war. Und andere, in denen ich vollkommene Zufriedenheit erlebte. Im Laufe der Zeit habe ich erkannt, wie wenig ich zum Leben brauche: von den Dingen, die ich eingelagert habe, gibt es nicht vieles, das ich vermisse. Ich habe gelernt, dem Leben zu vertrauen und einen Schritt nach dem anderen zu setzen. Und im Moment zu leben.
Meinen Weg sehe ich als Experiment, aber auch als Protest gegen unsere starren Strukturen oder die ständig steigenden Wohn- und Mietpreise. Ich habe Möglichkeiten gefunden, günstig oder kostenlos zu wohnen, meist in Gemeinschaft. Habe im Garten ausgeholfen, Kinder betreut, Katzen gehütet. Und gelernt, nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben. Die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und sie zu leben, kann auch ein Akt der Rebellion gegen ein starres System sein. Je mehr es mir gelingt, so zu leben, wie es mir entspricht, desto größer wird die Zufriedenheit – und der Wunsch nach materiellen Dingen nimmt ab. Das ist nicht nur ein Gegenentwurf zu unserer kapitalistischen Konsumgesellschaft, sondern auch Nachhaltigkeit in seiner ursprünglichen Form.
In diesen Jahren sind mir viele Menschen begegnet, die so wie ich selbst über ihr Leben bestimmen möchten. Menschen, die ihr Hamsterrad verlassen haben, in Gemeinschaftsprojekten leben, regenerative Landwirtschaft betreiben, möglichst autark leben oder ihren Kindern freie Bildung ermöglichen. Manche sind komplett aus dem System ihres Landes ausgestiegen. All diese Menschen eint eines: Sie leben ihre Werte und möchten unserer neoliberalen und konsumgesteuerten Leistungsgesellschaft etwas entgegensetzen.