Ich war lange Zeit überzeugt davon, nicht auf Fleisch verzichten zu können. Jahrelang habe ich es in allen Varianten gegessen: Wurst, Schnitzel, Burger, Koteletts.
Ich vertrat die Meinung, dass wir Menschen nun mal Fleischesser seien und erklärte das damit, dass schon unsere Vorfahren auf die Jagd gegangen seien, um überleben zu können. Und ich glaubte, den Winter ohne Fleisch nicht überstehen zu können – da es mir vermeintlich Wärme und Energie schenkte.
Dann begann ich im Zuge der Arbeit an meinem Buch „Nachhaltig Leben“, mich näher mit dem übermäßigen Fleischkonsum in unserer Gesellschaft und seinen Auswirkungen zu beschäftigen. Und kam zu dem Schluss: wir sind schon lange keine Jäger mehr. Wir „produzieren“ Fleisch als Massenware und fügen den Tieren, die wir essen, großes Leid zu. Unser maßloser Fleischkonsum beschleunigt auch noch den Klimawandel: 70 Prozent der weltweit gerodeten Regenwaldflächen werden für Weiden und die Produktion von Nutztierfutter eingesetzt.
„Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt.“ Mahatma Gandhi
Mein Appetit auf Fleisch ließ nach, doch noch schaffte ich es nicht, ganz darauf zu verzichten. Ich wurde zur „Flexitarierin“ und aß nur wenige Male pro Woche Fleisch und Wurst, wenn möglich in Bio-Qualität. Doch irgendwann kam der Punkt, wo ich ganz damit aufhörte – ich erinnere mich gut daran: Ich bereitete für meine Familie Wurstsalat zu, ein Gericht, das seit meiner Kindheit zu meinen Lieblingsspeisen zählte. Doch als ich mir eine Portion nahm, ließ ich instinktiv die Wurststückchen weg und aß den Rest. Und es schmeckte! Seit einiger Zeit bin ich – von wenigen Ausnahmen abgesehen (etwa wenn es bei einem Besuch nur Fleischspeisen gibt) – „fleischfrei“, und es geht mir gut damit. Hin und wieder überkommt mich zwar noch Heißhunger auf etwas Fleischiges – z.B. wenn ich in unserem Kühlschrank die Kantwurst entdecke, die mir früher so gut schmeckte und die heute meine Kinder lieben – aber auch das wird weniger. Ich habe gelernt, die in Fleisch enthaltenen Inhaltsstoffe wie z.B. Eisen durch andere Lebensmittel zu ersetzen. Eine Ernährungsberaterin machte mich darauf aufmerksam, bei jeder Mahlzeit auf die Zufuhr von Eiweiß zu achten und ich erfuhr: Eiweißlieferanten sind z.B. Nüsse, Hülsenfrüchte und natürlich Eier.
Der nächste Schritt wird sein, auch Fisch von meinem Speisezettel zu streichen. Mittlerweile reicht es, daran zu denken, dass Tiere Lebewesen sind, um mich in meinem Vorhaben zu bestärken – dadurch fällt für mich auch Bio-Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren weg. Und Lebensmittel, die mich wärmend durch den Winter bringen, habe ich längst gefunden. Meine Entscheidung hat bei manchen Menschen überraschte bis verständnislose Reaktionen ausgelöst. Immer wieder fällt mir auf, dass gerne Scherze auf Kosten von Vegetarieren und vor allem Veganern getrieben werden. Meine Meinung dazu: jede(r) soll für sich selbst entscheiden, wie er/sie leben und sich ernähren möchte! Ich habe nicht vor, irgendjemanden zu bekehren, finde es aber wichtig, über die Folgen unseres Fleischkonsums aufzuklären.
Das Bewusstsein für diese Problematik wächst: Bücher wie „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer oder „Anständig essen“ von Karen Duve beschäftigen sich mit den Themen Massentierhaltung und Alternativen zum Fleisch. Filme wie „Feed the world“ von Erwin Wagenhofer prangern unsere Gier nach Fleisch an. Immer mehr Menschen verzichten freiwillig auf Fleisch – doch wird das reichen, um die Hersteller zum Umdenken zu bewegen? Es gibt weitere Möglichkeiten, Druck zu machen: den Lebensmittelketten lästige Fragen stellen und Verbesserungen einfordern. Das Thema in sozialen Medien zur Sprache und Diskussion bringen. Organisationen wie Vier Pfoten oder den Verein gegen Tierfabriken unterstützen. Mehr Infos über die Auswirkungen des Fleischkonsums und Alternativen findet ihr in meinen Büchern „Nachhaltig Leben“ und „Nachhaltig Leben mit Kindern“.
2 Kommentare
? – gratuliere und will ermutigen, weiter zu machen!
Bin nun nach 1-2 Jahre vegetarisch essend (und ähnlicher persönlicher Vorgeschichte wie im Artikel geschildert) nun seit 2 Monate fast gänzlich vegan essend. Mein Motiv ist – vielleicht als Mediziner nicht überraschend – ein medizinischer. Welche Fakten aus medizinischer Sicht dazu motivieren sollten, findet sich gut & prägnant erklärt auf nutritionfacts.org – kann die Seriosität der Quelle mit der kritischen Auswahl der zitierten Publikationen nur betonen (man kann im www auch schnell andere, fragwürdige Studiendaten finden, die einem meist unseriösem Ziel dienen).
Neben dem persönlichen medizinischen Beweggründen sind auch die ökologischen keineswegs irrelevant – aber egal warum: Hauptsache man tut es!
Pingback: Es war ein gutes Jahr | Susanne Wolf, Journalistin und Autorin